Vor vier Wochen hat Martin Friedl den ersten Gastbeitrag auf unserer Plattform veröffentlicht. Durch seinen spannenden Bericht, euer positives Feedback und der Tatsache, dass Martin frisches Bildmaterial von einer weiteren Reise aus dem hohen Norden mitgebracht hat, dachten wir uns, dass wir den “Flow” mitnehmen und einen zweiten fesselnden Artikel von Martin mit euch teilen. Hinterlasst gerne eure Meinung in den Kommentaren und viel Spaß beim Betrachten. 


 

“Der arktische Norden im Winter”

“Es sind 6 Wochen vergangen seit meinem letzten Besuch in Norwegen. Die Kälte ist aus meinen Knochen gewichen und in mir wächst wieder eine gewisse Unruhe – es ist wieder dieses Fernweh nach den frostigen Tagen und Nächten in Begleitung mit Freunden in der Natur.

Diesmal sollte es aber ein gutes Stück weiter in den Norden gehen. Auf halber Strecke zwischen Tromso und dem Nordpol – genauer gesagt auf dem 78ten Breitengrad – liegt die Inselgruppe Spitzbergen. Spitzbergen ist so groß wie Deutschland und ein kleiner Ort namens Longyearbyen ist die letzte große Bastion der Zivilisation vor dem Nordpol. Knappe 2500 Einwohner leben hier dauerhaft, umringt von mehr als 25.000 Rentieren, 3000 Eisbären, ebenso vielen Walrössern und jeder Menge Polarfüchsen und Schneehühnern.

Alle anderen Vögel, Meeressäuger und Menschen sind hier nur saisonale Gäste. Die Durchschnittstemperatur liegt hier nur bei -7°C und die Sonne meldet sich erst am 08. März nach einer Winterpause zurück und beendet die „Dark Season“ mit wunderbaren stundelangen Dämmerungsstimmungen.

Ziel war diesmal aber nicht das berühmte Zwielicht, sondern die lokale Tierwelt in rauen Bedingungen zu erleben und auch zu fotografieren.

Das klingt nach einer einfachen Idee, dies ist es aber nicht. Nicht weil es schwierig ist die Tiere zu finden und anzusitzen. Es ist die, für uns Mitteleuropäer eingeprägte Selbstverständlichkeit der Sicherheit, wenn wir uns in der Natur bewegen. Hier in Spitzbergen gibt es eben keinen Mobilfunk außerhalb des einzigen Ortes. Es gibt keine Straßen. Es gibt unzählige Gletscher mit Spalten und Rissen. Die unter dem Schnee liegenden unsichtbaren Flüsse, deren Wasser von unten durch die teilweise meterdicke Eisdecke dringt und Schneematsch erzeugt, der dein Schneemobil verschlingt und zu guter Letzt ist da das größte Landraubtier Europas – der Eisbär –  der hier nicht zimperlich ist bei der Nahrungssuche und auch gerne mal einen menschlichen Besucher attackiert. Das tragen einer Waffe und Leuchtpistolen sind das Mittel zur Wahl wenn es um die Abschreckung des Eisbären geht. Aus gutem Grund gibt es daher mittlerweile auch in Spitzbergen strenge Gesetze im Umgang mit der Natur, um Konflikte zwischen Mensch und Natur zu verhindern.

Ich bin daher auf meine Freundin und Arctic Nature Guide Franka angewiesen, wenn es hinaus in die Wildnis von Spitzbergen geht. Sie ist seit mittlerweile 6 Jahren auf Spitzbergen und geht dort ihrem Traumjob als Guide nach. Sie hat mich eingeladen einige Ihrer freien Tage im März mit Ihr zu verbringen. Ohne Sie wäre dieses Abenteuer, auf dem Festland die Tierwelt zu erkunden, daher auch nicht möglich gewesen.

Gemeinsam begeben wir uns immer wieder von Longyearbyen aus mit Snowmobilen, oder aber auch nur auf Winterstiefeln in den Südwesten und Osten von Spitzbergen auf der Suche nach guten Locations um das lokale Wildlife zu fotografieren. Unsere Trips auf den Snowmobilen führen uns tageweise über 120 km durch die arktische Wildnis. Es sind unvergessliche Fahrten über Gletscher durch Pulverschnee und epische Bergketten. Aber auch Tage mit Whiteout und Schneeregen sind angesagt. Und immer ist es der Wind der dich begleitet. Einen Orkan – wenn auch nur für einige Stunden – in der Arktis zu erleben, kann ich nun von meiner Bucket Liste streichen.

Es ist definitiv wieder eines der intensivsten Erlebnisse in und mit der Natur gewesen. Diesmal deshalb, weil dir auf so einem Abenteuer erst so richtig bewusst wird, dass mit und in der echten rauen Wildnis – wenn auch nur wenige Kilometer von der Zivilisation entfernt sich zu bewegen auch laufend Wachsamkeit, gute Selbsteinschätzung, Erfahrung, Vertrauen auf deine Begleiter und Material bedeutet.

Fotografisch ist das Festland von Spitzbergen zu jeder Jahreszeit ein Erlebnis. Es kommt nur darauf an, was Ihr wollt. Am Winterende sind es die besonderen Lichtstimmungen und Tiere im Schnee. Im Sommer überwältigen einen die unzähligen seltenen Vogelarten, die hier brüten – z.B. die Eiderenten. Und im Herbst sind es durch die nicht untergehende Sonne die wahrlich atemberaubenden Landschaften im Morgen und Abendlicht und die lokale Fauna in sämtlichen Umgebungsfarben von orange, rot, grün, braun, usw…

Ob sich mein Abenteuer fotografisch gelohnt hat ? Ich würde sagen ja – aber davon könnt Ihr euch in meinen Bildern selbst überzeugen…”

 

Kennengelernt habe ich Martin Friedl erstmals im Frühling 2017. Damals fotografierten wir gemeinsam Ziesel im Burgenland. Martin war einer meiner ersten Workshopteilnehmer. Seitdem ist viel passiert. Im Laufe unserer vielen Abenteuer quer durch Europa hat sich eine gute Freundschaft entwickelt. Dabei durfte ich nicht nur spannende Begegnungen in der Wildnis mit ihm genießen, sondern auch seine fotografische Entwicklung hautnah miterleben. Es freut mich unheimlich, dass Martin mit so viel Leidenschaft und Begeisterung zu Werke geht und stets spannende Geschichten und Bilder von seinen Reisen mitbringt. Mehr Aufnahmen von Martin findet ihr auf seiner Instagram-Seite.


 


 

Text & Bilder von Martin Friedl. Aufbereitung des Artikels von:

Christoph Ruisz