Christine Averberg wurde im Jahr 1985 geboren und ist im westfälischen Beckum aufgewachsen. Hier hat sie ihr Abitur gemacht, um nach einem Freiwilligen Sozialen Jahr eine Erzieherausbildung in Düsseldorf zu absolvieren. Vor einigen Jahren kehrte sie in ihre Heimatstadt zurück. Seitdem verbringt sie den Großteil ihrer Freizeit mit der Naturfotografie. Ihr Stil wurde mit der Zeit immer kreativer und zeichnet sich durch ungewöhnliche Techniken aus. Zusammen mit ihrem Lebensgefährten Daniel Böttcher, ebenfalls Naturfotograf, geht sie regelmäßig auf Streifzüge durch die Natur. 


 

4NP: Hallo Christine es freut mich ein Interview mit dir zu haben. Zuerst starten wir immer mit der Frage wie alles begann. Also wo nahm das mit der Fotografie seinen Anfang?

Hallo Sven, vielen Dank für die Einladung zu diesem Interview! Bei mir war es so, dass ich bereits als Kind viel für die Schönheit der Natur übrig hatte. Unser Haus lag am Stadtrand und unser Garten blühte in allen Farben, sodass immer auch viele Insekten und Vögel zu sehen waren. Mit dem Einzug der Digitalisierung in der Fotografie versuchte ich daher immer öfter, die Kunstwerke der Natur zunächst im klassischen Stil auf Bildern festzuhalten. Mit den Ergebnissen aus der „Hosentaschenknipse“ war ich nie richtig zufrieden und legte mir daher nach vielen Jahren eine digitale Spiegelreflexkamera zu. Ein Einsteigermodell mit einfachsten Objektiven – es liegt nahe, dass ich mit dieser Ausrüstung nicht lange glücklich war. Trotzdem habe ich erste Anfänger-Workshops besucht und war direkt infiziert. So legte ich mir bald schon eine neue Ausrüstung zu und besuchte weitere, mehrtägige Workshops und Fototouren, bis ich einen Stil entwickelt hatte, mit dem ich mich nach wie vor sehr wohl fühle.

IV-0777 Lensbaby

4NP: Vor einigen Jahren hattest du ja auch einen Workshop bei mir gemacht. In den Sozialen Medien habe ich dich weiter verfolgt. Seit unserer Tour hast du dich ziemlich weiter entwickelt und einen ganz eigenen Stil entwickelt. Solche „normalen Landschaftsfotos“ wie damals passen gar nicht mehr in dein Portfolio. Heute arbeitest du extrem kreativ. Wie hast du deinen Stil gefunden und wie kam es zu dieser Entwicklung?

Danke für das Kompliment! 🙂 Ich glaube, die treibende Kraft war, dass ich eigentlich nie zufrieden war, wenn ich ein „normales Landschaftsfoto“ gemacht oder ein Tier „groß-bunt-scharf“ abgelichtet hatte. Da war immer das Gefühl, dass es dieses Foto schon tausend Mal gibt und ich eigentlich nichts Besonderes geschaffen hatte. Deswegen habe ich immer wieder Workshops besucht, bei denen ich immer wieder Neues lernen konnte. Außerdem habe ich besonders in den sozialen Medien nach Fotografen Ausschau gehalten, deren Stil mich begeistert, und habe deren Fotos analysiert und ihre Techniken ausprobiert. Ich habe dabei selten das auf den Sensor bannen können, was ich mir vorgenommen hatte. Dafür wurde ich immer wieder überrascht, was in der Fotografie machbar ist, und war begeistert von den Möglichkeiten. Das gilt für Mehrfachbelichtungen, die Defokus-Fotografie, aber ganz besonders für die ICM-Technik, bei der die Kamera während des Auslösens bewegt wird. So habe ich mich immer weiter ausprobiert und dabei Methoden für mich entdeckt, die ich vorher noch nie gesehen hatte. Das ist, was ich am kreativen Arbeiten mit der Kamera so mag: Oft weiß man vorher gar nicht so genau, was man hinterher als Bild bekommt. Und jedes Bild ist anders!

Aber nicht alle meine Bilder sind mit diesen Techniken aufgenommen. Manchmal stehe ich vor einem wunderschönen Motiv – einem Pilz zum Beispiel, einer Landschaft oder einem Wildtier – und weiß nicht, was ich damit anfangen soll. Diesen Moment kennt wohl jeder von uns. In solchen Situationen frage ich mich dann immer: Was gefällt mir denn hieran genau? Ist es eine bestimmte Struktur? Ist es das Licht an einer bestimmten Stelle? Ist es eine markante Form oder ein starker Farbkontrast? Ist es die Bewegung des Tiers, sein Auge oder die Haltung seines Körpers? Wenn ich mir dann ganz bewusst gemacht habe, warum das Motiv meine Aufmerksamkeit auf sich zieht, bin ich schon einen ganzen Schritt weiter und weiß, was genau ich in Szene setzen und worauf ich den Blick des Betrachters lenken will. Diese Gedankengänge helfen mir immer wieder beim Finden meiner Motive und Blickwinkel.

100-400mm, ICM

4NP: Von welchen Fotografen lässt du dich gerne inspirieren hast du vielleicht ein paar Vorbilder deren Stil dir gut gefällt?

Ja, einige sogar! Allen voran sind da Theo Bosboom und Sandra Bartocha, die es beide verstehen, mit einem ganz eigenen, fast unverkennbaren Stil wunderbare Stimmungen in ein Bild zu zaubern. Ich bewundere es sehr, was sie mit ihren Arbeiten in einem hervorrufen können. Beide haben selten spektakuläre Landschaften als Motiv, sondern viel mehr einfache, fast alltägliche Motive, die sie ganz wunderbar in Szene setzen.

Außerdem finde ich die Techniken von Erik Malm und Luigi Piccirillo sehr inspirierend, auch sie sind große Vorbilder für mich und haben mich durch ihre Fotografien im Entwickeln meines Stils maßgeblich geprägt. Beide arbeiten – wenn auch auf unterschiedliche Weise – mit längeren Belichtungszeiten, was mich besonders in den Anfängen zum Experimentieren verleitet hat. So habe ich sehr viel über die ICM-Technik gelernt. Auch jetzt bewundere ich noch häufig ihre Werke und freue mich über jeden neuen Input von ihnen.

Besonders kreativ und spannend finde ich aktuell die Arbeiten von Hermann Hirsch und Jan Leßmann, die der Fotografie einen neuen, jungen Anstrich geben. Ihre Herangehensweise und auch ihre Art, sie den Leuten näher zu bringen, finde ich sehr erfrischend. Sie hat nichts mehr von den verstaubten alten Weisheiten und in Stein gemeißelten „Grundregeln“, sondern kommt von Herzen und ist vor allem intuitiv und ehrlich.

Last but not least ist für mich die Zusammenarbeit mit meinem Lebensgefährten Daniel Böttcher extrem inspirierend. Er fotografiert oft minimalistisch und versteht es außerdem, mit dem Licht und den Bedingungen zu spielen. So bin ich regelmäßig sehr erstaunt, welche Ergebnisse er erzielt, während er direkt neben mir steht.

Walimex 500mm Spiegeltele

4NP: Es gibt ja einige Objektive die bestimmte kreative Effekt erzeugen. Mit welchen Objektiven arbeitest du gerne und warum?

Spezialobjektive gibt es ja tatsächlich wie Sand am Meer und das sogar oft für relativ kleines Geld. Trotzdem ist mein absolutes Lieblingsobjektiv das Canon 100-400mm f5.6-6.3. Es ist für meine Zwecke einfach perfekt, denn hiermit bin ich sehr flexibel, es ist leicht und ziemlich kompakt. Die relativ geringe Offenblende bringt für mich in der Regel kaum einen Nachteil, da ich ohnehin viel mit Defokus und ICM arbeite.

Mein erstes „besonderes“ Objektiv, das ich mir zugelegt habe, war das Diaplan 100mm f2.8 von Meyer-Görlitz. Da es sich um eine Projektorlinse handelt, habe ich es mir mit Hilfe meines Vaters an einen Zwischenring adaptiert und so für meine Kamera nutzbar gemacht. Es hat einen deutlichen Bubble-Effekt, für den eigentlich vor allem das Trioplan des gleichen Herstellers bekannt ist. Allerdings ist das Diaplan dabei deutlich schärfer und vor allem um ein vielfaches günstiger.

Von den kreativen Spielereien mit diesem Selbstbau-Objektiv angefixt, habe ich in meinen alten Kamera-Schätzen, die mir geschenkt wurden, ein Domiplan 50mm f2.8 gefunden, ebenfalls von Meyer-Görlitz. Dieses benutze ich besonders gerne im Wald, da es einen sehr verträumten Bildlook hat und so dem Wald eine märchenhafte Aura verleiht.

Aber auch abseits dieser Vintage-Objektive gibt es viele Möglichkeiten. So habe ich mir für besondere Blickwinkel das Lensbaby Composer pro II sweet 35mm f2.5 angeschafft. Dieses lässt sich durch ein Gelenk neigen und erzeugt so teils sehr krasse Effekte. Allerdings braucht es neben einem Stativ Einiges an Übung, um mit diesem Objektiv richtig zu fokussieren. Vor allem an windigen Tagen bringt es mich manchmal zur Verzweiflung…

Ein weiteres sehr schönes und gleichzeitig günstiges und ultraleichtes Objektiv ist das Spiegeltele von Walimex mit einer Festbrennweite von 500mm und einer fixen Blende von f6.3. Dieses erzeugt durch seine Bauweise ein einzigartiges „Donut-Bokeh“, das vor allem Blumenwiesen und Wasseroberflächen einen interessanten Effekt verleiht.

Trotz all dieser spannenden Effekte ist mir das 100-400mm am liebsten und mein „Immer-drauf“-Objektiv, denn es ist fast universell einsetzbar. Außerdem hat es im Gegensatz zu all den „Spielzeugen“ in meinem Rucksack einen Autofokus, was vor allem bei Wildlife-Fotografie bekanntlich nicht zu unterschätzen ist. 😉

Canon 100-400mm, Doppelbelichtung


4NP: Welchen Tip hast du für unsere Leser die sich in der Fotografie wirklich weiter entwickeln möchten?

Probiert euch aus! Analysiert Bilder, die euch gefallen, recherchiert Techniken, die euch zusagen, und dann nichts wie raus in die Natur. Sammelt Erfahrungen. Denkt nicht zu viel nach, sondern hört auf eure Intuition. Schaut mal über den Tellerrand, belegt Workshops, knüpft Kontakte, tauscht euch aus. Setzt euch Ziele und arbeitet kontinuierlich daran, ihnen näher zu kommen. Das Wichtigste ist aber: Genießt die Zeit draußen, lasst die Natur auf euch wirken und lasst sie euch in ihren Bann ziehen. Denn ohne Druck und mit viel Begeisterung fürs Motiv gelingen in der Regel die emotionalsten und stimmungsvollsten Bilder.

Sigma 105mm 2.8 Makro

4NP: Du hattest ja bereits eine Ausstellung. Können wir uns in Zukunft auf neue Projekte von dir freuen?

Ganz aktuell habe ich gemeinsam mit Daniel Böttcher unseren Kalender „Kreative Naturfotografie 2022“ in limitierter Auflage im Verkauf. Wir sind begeistert von dem Interesse daran und freuen uns über jedes einzelne verkaufte Exemplar. Es sind nur noch wenige übrig! Bei Interesse einfach per Mail (info@christine-averberg.de) oder Instageram-Nachricht melden.

Ob es in Zukunft neue Projekte gibt, da werden wir uns alle überraschen lassen müssen, denn es gibt zwar einige mehr oder weniger gut durchdachte Ideen, allerdings noch keine konkreten Pläne. 😉

Canon 100-400mm (Single Shot)

4NP: Das Reisen wird ja vermutlich in Zukunft wieder einfacher gehen. Hast du Ziele die du in Zukunft gerne besuchen möchtest oder suchst du deine Motive lieber vor der Haustüre?

Bei meiner Art der Fotografie ist es so, dass man in der Regel gar nicht sieht, wo ein Foto aufgenommen wurde. Nur selten sind markante Dinge wie Kreidefelsen, Bachläufe oder mit Heidekraut bewachsene Hügel zu sehen. Da bei der ICM-Technik die Umgebung des Hauptmotivs in der Bewegung nahezu komplett verschwindet und ich ansonsten oft Details, Strukturen, freigestellte Pflanzen, intimate Landscape usw. fotografiere, ist es für mich nicht zwingend erforderlich, bestimmte Ziele zu bereisen. Trotzdem ist es natürlich immer wieder spannend und inspirierend, neue Landschaften zu sehen und die dort vorhandenen Möglichkeiten zu erforschen und auszuschöpfen. Hier haben es mir vor allem deutsche bzw. mittel- und nordeuropäische Landschaften angetan. Wirklich weite Reisen brauche ich also auch nach Corona nicht.

Canon 100-400mm, ICM

Vielen Dank für das wirklich interessante Interview Christine. Ich wünsche dir weiterhin viele schöne Begegnungen in der Natur und freue mich auf weitere kreative Bilder bei denen ich immer wieder extrem überrascht bin!

 

Webseite: www.christine-averberg.de

Instagram: christine_averberg_fotografie

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Interview wurde geführt von:

Sven Herdt

 

www.svenherdt.com

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