Text & Bilder von Sven Herdt
Jens Klettenheimer – Landschaftsfotograf mit Liebe zum Norden
Jens Klettenheimer, geb. 1967 in Karlsruhe, ist der Fotograf, der hinter schiefLicht Fotografie steht. Seine große Leidenschaft gilt der Landschaftsfotografie in nordischen Ländern. Seit 2014 bietet er internationale Fotoworkshops vornehmlich auf Island und den Lofoten an. Seine natürlichen Landschaftsaufnahmen werden regelmäßig in verschiedenen Online- und Printmedien veröffentlicht. Als studierter Techno-Mathematiker lebt er gemeinsam mit seiner Familie und zwei Dalmatinern in der Nähe von Heidelberg.
4NP: Seit wann beschäftigst du dich mit der Naturfotografie? Wie hat alles bei dir begonnen?
Jens: Fotografie war schon immer Bestandteil meines Lebens. Meine Großmutter portraitierte ihre Enkelkinder mit einer alten Rolleiflex, meine Mutter hatte ihre eigene Dunkelkammer für die schwarz-weiß-Entwicklung, und von Kindheit an fotografierte ich mal mehr, mal weniger intensiv mit verschiedensten Fotoapparaten. In der Schule schließlich hatte unsere Foto-AG eine eigene Dunkelkammer zur Verfügung, in der wir schwarz-weiß-Filme entwickeln und die Negative ausbelichten konnten.
Mit der Verfügbarkeit der ersten erschwinglichen digitalen Spiegelreflexkamera im Jahr 2003, der Canon EOS 300D, intensivierte ich das Fotografieren dann wieder. Der Besuch der Ausstellung “Kinder der Ruhr” der belgischen Künstlerin Marie-Jo Lafontaine in Marl, in der überdimensionale Halbportraits von Schulkindern verschiedener Ethnien des Ruhgebiets gezeigt wurden, beeindruckte mich so nachdrücklich, dass ich meinen fotografischen Schwerpunkt zunächst im Bereich der People- Fotografie setzte. Aber auch die Werke anderer bekannter Fotografen wie Andreas Gursky trugen dazu bei, dass mein Interesse an der Fotografie neu entflammte.
Im Juni 2008 bereiste ich dann zum ersten Mal Island, und zum ersten Mal habe ich bei dieser Gelegenheit dann auch bewusst Landschaftsfotografie betrieben. Seit der ersten Nacht auf Island hat mich die Landschafts- und Naturfotografie nicht mehr losgelassen, und 2014 – also 6 Jahre später – bot ich dann auch meinen ersten eigenen Fotoworkshop auf Island an.

Lofoten, Norway
4NP: Jens, du bist ja sehr viel in Island und Norwegen unterwegs. Was begeistert dich so an diesen beiden Ländern?
Jens: Island hat mich bereits bei meiner ersten Reise 2008 so sehr fasziniert, dass seitdem jedes Jahr zwei bis drei weitere Besuche der Insel aus Feuer und Eis gefolgt sind. Von vielen Islandreisenden weiß ich, dass sie ähnlich empfinden, auch wenn es ein wenig pathetisch klingen mag: Island ist für mich nicht einfach ein Reiseland, es fühlt sich eher an wie Ankommen – Ankommen in einer Heimat, die ich tief in meinem Inneren trage. Die Vielfalt der Natur, die Kombination aus Gletschern und Vulkanen, die stetige Veränderung dieser geologisch noch jungen Insel tragen allesamt zur Faszination bei. Die Anzahl herausragender Fotomotive ist unglaublich hoch: angefangen bei den Wasserfällen unterschiedlichsten Charakters über die Gletscherlagunen im Südosten der Insel über das raue Hochland oder die einsamen Westfjorde, überall gibt es etwas zu entdecken. Geothermalgebiete und Geysire liegen in unmittelbarer Nähe weiter Seen. Die verschiedenen Jahreszeiten sorgen für zusätzliche Abwechslung. Wer Ende Juni die Mittsommersonne im Norden nicht untergehen sieht, wird diesen Anblick für immer erinnern. In den dunklen Winternächten tanzt häufig das Polarlicht über der Insel. Naturliebhaber und Tierfotografen kommen durch die vielen verschiedenen Vogelarten auf ihre Kosten – Papageitaucher zu beobachten ist ein einmaliges Schauspiel, und auch Wale lassen sich vor der Küste Islands gut beobachten und fotografieren.
Neben Landschaft und Natur faszinieren mich auch die Isländerinnen und Isländer, die mit großer Gelassenheit den Naturgewalten trotzen und ihr Leben zu großen Teilen nach Licht und Wetter ausrichten. Auch die kulturelle Szene begeistert mich. Trotz der geringen Einwohnerzahl gibt es immer wieder herausragende musikalische Entdeckungen. Viele Isländer musizieren von Kindesbeinen an und spielen in mehreren Bands – ein unglaubliches kreatives Potenzial! (Meine Lieblingskünstlerin Jófríður Ákadóttir ist neben ihrem Soloprojekt JFDR zum Beispiel noch gemeinsam mit ihrer Schwester Ásthildur in der Band Pascal Pinon zu hören und singt außerdem beiSamaris und Gangly, die jeweils für ganz unterschiedliche Musikrichtungen stehen.)

Lofoten, Norway
Auf den Lofoten im Norden Norwegens – nochmal 300 km nördlicher gelegen als Island – trifft man auf eine ähnlich beeindruckende Natur. Hier wirkt allerdings alles viel kompakter, wenn die hohen Berge direkt am Rand der tief ausgeschnittenen Fjorde in den Himmel ragen. Das Licht im Januar und Februar, wenn die Sonne wieder über den Horizont steigt, ist aus meiner Sicht einzigartig. Da die Lofoten recht dünn besiedelt sind, ist auch die Lichtverschmutzung nicht so stark ausgeprägt, was das Fotografieren von Polarlicht einfacher macht. Charakteristisch sind auch die vielfältigen Strände, die zum Experimentieren mit Langzeitbelichtungen einladen, und natürlich die landestypischen Rorbuer, die meist rot gestrichenen Fischerhütten, die oft direkt ans oder sogar übers Wasser gebaut sind. Die meisten Fotoziele befinden sich entlang der E10, der zentralen Straße der Lofoten, auf einem Streckenabschnitt von nicht einmal 100 km.
Für beide Länder gilt: Kein Besuch gleicht dem anderen, jedes Mal gibt es Neues zu entdecken. Die Vielfalt der Stimmungen und die Kraft der Natur begeistern mich am meisten.

Hamnøy – Lofoten, Norway
4NP: Du hast einen wunderschönen Foto-Guide über die Lofoten geschrieben. Wie kam es dazu?
Jens: Das hat sich tatsächlich eher zufällig ergeben. Ich war selbst als Teilnehmer bei einem Workshop der Heidelberger Sommerschule der Fotografie. In einer der Pausen kam ich mit Rudolf Krahm ins Gespräch. Er arbeitet als Lektor beim dpunkt.verlag, der den Workshop ausgerichtet hatte. Rudolf kannte bereits Teile meines Portfolios und war sehr angetan von meinem fotografischen Stil. Schnell entstand die Idee, ein gemeinsames Projekt zu starten, und die neue Reihe der Fotoscouts – die Ausgabe für Berlin war gerade erschienen, ein Band für Island in Arbeit – schien dafür prädestiniert. Nachdem auch die Redaktion des dpunkt. Verlags von der Idee überzeugt war, startete ich imNovember 2017 dann mit der ersten Ausgestaltung der Inhalte – die eigentliche Idee war klar: Im Zentrum sollten Fototouren mit detaillierter Beschreibung und vielen Tipps speziell für Fotografen stehen, abrunden wollte ich den fotografischen Reiseführer mit Informationen zur Planung der Reise und mit einer Anleitung zur Verwendung optischer Filter in der Landschaftsfotografie. Auch GPS- Koordinaten der Foto-Spots sollten nicht fehlen. An der Rohfassung arbeitete ich bis Ende April2018, im Anschluss folgten einige Verfeinerungen, das finale Layout und schließlich der Druck. In Summe habe ich sehr viel Zeit und Herzblut in dieses Projekt gesteckt, aber es hat sich aus meiner Sicht gelohnt: Seit Ende August 2018 ist dieser besondere Reiseführer für Fotografen überall im Buchhandel verfügbar und wird von den Lesern bislang sehr positiv angenommen!

Lofoten fotografieren – das 2018 fertig gestellte Werk von Jens
4NP: Hast du neben Skandinavien noch weitere Ziele, die du in naher Zukunft gerne bereisen möchtest?
Jens: Ja, auf meiner Liste stehen einige Ziele, die man vielleicht als konsequente Erweiterung des skandinavischen Raums bezeichnen könnte: Die Färöer-Inseln, Grönland – vielleicht auch einmal der zugefrorene Baikal-See in Russland oder auch Patagonien. Aber auch Island, das ich insgesamt mehr als 20 mal bereist habe, hält nach wie vor unentdeckte Ecken und Überraschungen für mich bereit, und ich bin einfach ein großer Fan des besonderen Lichts, das man in der Nähe des Polarkreises findet, weshalb es mich weiterhin eher in den kalten Norden als in den warmen Süden ziehen wird.
4NP: Du bist ein erfahrener Landschaftsfotograf. Welchen Rat würdest du unseren Lesern geben, um in diesem Themenbereich bessere Fotos zu machen?
Jens: Immer neugierig bleiben und viel ausprobieren – die verwendete Kameratechnik ist untergeordnet und kann eine schlechte Bildkomposition niemals wettmachen. Oft lohnt es sich, die Perspektive nur geringfügig zu verändern, um eine komplett neue Aufnahme entstehen zu lassen. Manchmal hilft es, die Komfortzone zu verlassen und z.B. bodennah zu fotografieren oder eben das Stativ doch noch ein bisschen näher an der Wasserkante zu platzieren – dabei darf man natürlich keine unkalkulierbaren Risiken eingehen, und auch der Erhalt und Schutz der Natur sollte immer Vorrang vor allem anderen haben, auch wenn man dadurch die eine oder andere Aufnahme verpasst. Apropos Stativ: speziell in der Landschaftsfotografie verwende ich bei fast allen Aufnahmen ein Stativ. Nicht nur, um die Schärfe der Aufnahmen zu verbessern und längere Belichtungszeiten zu ermöglichen, sondern auch, um mich in Ruhe auf neue Fotosituationen einzulassen – ein sehr entschleunigender Prozess. Einer meiner Workshopteilnehmer hat scherzhaft angeregt, dass ich meine Workshops mit dem Slogan “Must love tripod!” kennzeichnen sollte.

Gullfoss, Island 2008
4NP: Gibt es in deiner fotografischen Karriere einen besonderen Moment, an den du dich immer wieder zurück erinnerst und dazu ein entstandenes Foto?
Jens: Hier schließt sich vielleicht der Kreis. An meinem ersten Abend auf Island im Juni 2008 erreichten wir am späten Abend den Wasserfall Gullfoss. Es ging auf Mitternacht zu, und wir waren ganz allein vor Ort und konnten ganz dicht an die beiden mächtigen Fallstufen herantreten. (2008 war Island noch nicht so sehr im Fokus der Touristen, so dass es auch kaum Absperrungen gab.) Die Sonne ging langsam unter, der Himmel verfärbte sich pastell-rosa, und ich nahm meine ersten Fotos überhaupt unter Verwendung von Filtern auf. Mit diesem fotografischen Erlebnis wurde in meinem Inneren ein Schalter umgelegt, und ich wusste: “Ja, das ist das, was ich machen möchte – die Natur fotografieren, wie ich sie wahrnehme!” Und wenn ich mir heute die Fotos von damals anschaue, dann kehren Erinnerung und Lächeln wieder zurück, und ich kann das Wasser wieder rauschen hören.
Sven: Vielen Dank Jens dass du dir Zeit für dieses Interview genommen hast und für deine sehr ausführlichen Antworten. Ich wünsche dir immer gutes Licht und freue mich schon jetzt wenn man sich wieder sieht! 🙂
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