Kai Hornung ist ein Landschaftsfotograf und Künstler aus Hannover. 2016 begann er Landschaften zu fotografieren und hat seine Fotografie nicht nur zum Nebenberuf machen können, sondern wurde auch mehrfach in internationalen Wettbewerben ausgezeichnet. Highlight war das Foto des Jahres 2020 in den International Landscape Photographer of the year awards. Seine Liebe zur Natur hat ihn in den letzten Jahren in die unterschiedlichsten Europäischen Länder geführt.


 

4NP: Servus Kai ich freue mich riesig, dass du dir Zeit für ein Interview nimmst. Du fotografierst ja noch gar nicht all zu lange und bist trotzdem richtig bekannt geworden. So hast du z.B als erster deutscher 2020 den International Landscape Photographer of the Year gewonnen und hast einige Follower auf Instagram. Wie nahm bei dir alles seinen Anfang mit der Landschaftsfotografie?

Ganz lieben Dank. Es fühlt sich für mich so an, als würde ich schon lange fotografieren, weil seit dem Start so viel passiert ist. Aber tatsächlich ist es im Mai erst 5 Jahre her, dass ich an einer rauen irischen Küste stand und ich mich in das fotografieren von Landschaften verliebte.

Mit meinen 45 Jahren habe ich vor der Fotografie bereits einiges erlebt und kam ja eigentlich sehr spät erst zum ‚ernsthaften‘ Fotografieren. Kreativ sein hat mich aber bereits seit den Kindertagen immer begleitet. Als Teenie kam dann Gedichte schreiben und später in einer Band singen dazu. Viele, viele Jahre war ich dann in Bands aktiv. Inklusive Cds aufnehmen, unzählige Konzerte spielen und was dazu gehört. Das Visualisieren habe ich mit der Musik und meinen Texten versucht und tue das auch heute noch. Fotografieren war dann wirklich nur – wie bei vielen anderen – Gelegenheitshobby und zum dokumentieren der Familie. Leider kam dann eine Trennung und letztlich Scheidung. Aus der Krise heraus habe ich die Kamera genommen und mich voller Hingabe in das Erlernen der Fotografie gestürzt. Und ich fing an sehr, sehr viel Zeit in der Natur zu verbringen. Je einsamer und ruhiger desto besser. 

Ich begann Bilder online zu stellen. Vermutlich kam da der Bühnenmensch aus der Musik durch. Irgendwann bestand meine Freizeit nur noch aus Fotografie lernen und sich mit Fotografieren zu beschäftigen. Auch auf Dienstreisen, wenn andere Kollegen an der Bar waren, ging ich aufs Hotelzimmer und habe Bilder bearbeitet. Etwas fanatisch, aber durch diese Hingabe habe ich wahnsinnig viel gelernt. Ich habe parallel online Kontakt zu Gleichgesinnten gefunden. Interessanterweise fast ausschließlich zu Fotografen außerhalb Deutschlands. Die ersten selbst organisierten Fotoreisen wurden unternommen und dann kam irgendwie alles zusammen: wunderschöne Orte kennenlernen, die eigene Bildsprache finden, Fotofreunde kennenlernen, immer weiter lernen und irgendwie auch zu mir finden. Die über 100.000 Follower auf Instagram kamen irgendwie ganz stetig und auch die Preise in den Wettbewerben kamen nachdem ich zu Beginn, wie die allermeisten Menschen leer ausging. Für mich fühlte und fühlt sich das alles ganz harmonisch an. Vermutlich weil es mir nicht vorrangig darum geht, erfolgreich zu sein, sondern weil ich künstlerisch wachsen möchte. Und ich inzwischen sehr genau weiß, was ich an allem am meisten schätze: das in der Natur sein und kreativ sein. 

Wenn ich das mit etwas Abstand betrachte, bin ich aber auch erstaunt, wie das alles in 5 Jahren ging. Und das mit Vollzeitjob und auch Kindern. Ich bin darüber sehr glücklich und sehr, sehr dankbar. Ja, und der Gewinn des Fotos des Jahres bei diesem großen Wettbewerb war dann natürlich ein Highlight und kam absolut überraschend. Ich freue mich immer noch sehr über die Auszeichnung und bin überwältigt von der tollen Resonanz.

4NP: Wenn man dein Portfolio betrachtet stellt man fest, dass du in den letzten Jahren trotz des Erfolgs weiter deinen Bildstil immer weiter entwickelst. Früher waren es viele bekannte Motive und inzwischen fotografierst du abstrakter viele Details und Ausschnitte („intimate Landscape). Du bewegst dich etwas weg von der klassischen Weitwinkelfotografie. Wie kam es dazu? War es ein bewusster Werdegang?

Ich würde sagen, auch das hat sich ganz natürlich ergeben. Die bekannteren Motive und Orte sind aus der schieren Neugierde und Begeisterung heraus entstanden. Es ist das eine diese Orte wie z.B. den Hintersee oder die berühmte Brücke von Hamnoy, Lofoten, von Bildern zu kennen. Aber noch so viel schöner ist es, da selbst zu stehen. Und das habe ich dann auch fotografiert und viel gelernt. Und tatsächlich waren die Bilder nützlich, um gerade auf Instagram auf mich aufmerksam zu machen. 

Nachdem ich aber so und so viele Sonnenauf- und Untergänge gesehen hatte und wunderschöne Orte bereiste, wollte ich fotografisch mehr. Ich möchte Bilder schaffen, in denen etwas von mir enthalten ist und nicht nur der schöne Ort. Es reizt mich wenig, das tausendste Bild vom z.B. Seljalandsfoss in Island aufzunehmen, wo ich hoffe, dass die äußeren Umstände noch besser sind als ich es von anderen Bildern kenne, oder dass es von mir anders bearbeitet wird. Auch wenn ich mir solche Orte immer noch gerne ansehe, fotografiere ich sie eigentlich gar nicht mehr wirklich. 

Ich fotografiere schon auch noch mit einem Weitwinkel. Tatsächlich sind die intimate  landscapes für mich aber gerade spannender. Wie auch bei Waldbildern, vor denen ich früher einen Heidenrespekt hatte, lese ich aus dem Chaos der Natur kleine Aspekte heraus und rahme sie in einem Bild ein. Gerne so, dass ein neuer oder ganz eigener Kontext entsteht. Das finde ich spannend. Erst Recht, wenn ich damit beim Betrachter eigene Gedanken und Empfindungen wecke und damit in dessen Gedanken neue Assoziationen entstehen. Ich habe das Gefühl, so als Fotograf mehr gefordert zu sein und mit meiner Vision Kunst entstehen lassen zu können.

4NP: Du kaufst dir ja gerne Fotobände von unterschiedlichen Fotografen. Gibt es dabei Bücher und Fotografen die dir besonders am Herzen liegen und von denen du dich vielleicht auch etwas inspirieren lässt?

Ja, ich liebe Fotobände. Mein liebstes ist „Island“ von Hans Strand. Hans`Bilder haben mich auch inspiriert vor knapp 2 Jahren auf einer Islandreise ganz bewusst auf den Himmel in meinen Bildern zu verzichten. Ich stelle mir eigentlich beim Fotografieren keine Aufgaben, sondern bewege mich da frei und folge meiner Intuition. Der Ansatz „ohne Himmel“ hat mich aber tatsächlich befreit und die Augen geöffnet, wie besonders Landschaftsaufnahmen ohne Himmel sind und was sie von mir in der Bildkomposition abverlangen. Und nebenbei hat es mich davon befreit, immer wieder dem vermeintlich besten Licht hinterher zu jagen. Ich gehe nun sehr viel mehr mit dem was ich finde. Also eigentlich genau das Gegenteil von Wetterfotografie: ich dokumentiere kein Wetter oder jage besonderes Licht, sondern lese Natur und Landschaft mit ihren Formen, Strukturen und Farben. Nutze das vorhandene Licht, egal ob harte Schatten, weiches warmes Licht oder bedeckter Himmel. Ein grauer Tag kann z.B. ideal sein, um unverfälschte Aufnahmen von natürlichen Farben zu machen und weiche Schatten zu erhalten. 

Und ein Auslöser dazu war für mich eben auch dieses tolle Buch von Hans, zu dem ich inzwischen einen herzlichen und guten Kontakt pflege. Er war sogar sehr hilfreich bei meiner letzten Islandreise, um mir per Chat Tipps zu geben, wohin ich mich vor Ort orientieren könne. 

2020 habe ich mir tatsächlich sehr viele Bücher gekauft. Von Kilian Schönberger, Adam Gibbs, William Neil, Charlotte Gibb, Stefan Hefele, Neil Burnell, Julia Anna Gospodarou oder auch Freunden und Bekannten wie Daniel Laan, Rachael Talibart und Philipp Zieger. Überall nehme ich da etwas mit, was mich begeistert. Ich bin gerne Schwamm und sauge Inspiration auf. Und so freue ich mich auch schon auf bereits bestellte Bücher von Eric Bennett und Arild Heitmann.

Im übrigen finde ich es auch absolut wichtig, dass Künstler gerade in Corona Zeiten unterstützt werden. Deshalb habe ich dann auch gerne mehr in Bücher der Künstler und Kollegen investiert, als ich das vielleicht sonst getan hätte. Im übrigen ein guter Ansatz für jeden Leser und Leserin, der/die ihren Lieblingskünstler unterstützen mag.

4NP: Wie wichtig ist für dich die Bildbearbeitung und wieviel Zeit steckst du in deine Bilder?

Bildbearbeitung ist für mich sehr wichtig. Und technisch auch absolut notwendig, da ich immer in RAW fotografiere. Und so wie auch Ansel Adams Bilder in der Dunkelkammer veredelte, bearbeite ich meine Bilder in der digitalen Dunkelkammer. Wie weit ich dabei gehe, ist von Bild zu Bild sehr unterschiedlich. Das kann auch mal sehr lange und mehrere Stunden Arbeit umfassen. Inzwischen sind es aber eher meist 30-60 Minuten für ein Bild mit Schwerpunkt auf Kontrast und Farbe.

Auch dort habe ich eine Wandlung durchlaufen. Während ich früher bei den meisten Bildern viel bearbeitet und gestaltet habe, sind meine heutigen Bilder in der Regel weniger aufwendig und natürlicher in der Bearbeitung. Bei jedem 10. Bild juckt es mich vielleicht aber doch auch in den Fingern, wieder etwas mehr zu gestalten. 

Am Ende, und das ist mir sehr wichtig und das vermittle ich auch meinen Schülern in den Trainings, die ich anbiete, soll das Bild aber nicht von der Bearbeitung handeln, sondern von der Bild-Story und dem Ausdruck. Wenn man bei der Bildbetrachtung als erstes auf die Technik schaut, wie es entstanden ist, dann habe ich etwas falsch gemacht. Nicht falsch verstehen: für mich ist technische Exzellenz eine Basis und (meist) notwendig, sie hat aber meiner künstlerischen Vision zu dienen und nicht anders herum. 

4NP: Die Landschaftsfotografie ist für dich ja ein Hobby. Dazu hast du noch Kinder und Beruf. Hast du schon einmal überlegt es auch beruflich zu machen oder soll es weiterhin ein Hobby bleiben? Ist die Landschaftsfotografie möglicherweise ein guter Ausgleich für deinen Beruf?

Inzwischen ist die Fotografie ja bereits ein Nebenberuf. Und ich merke, dass das ‚berufliche‘ der Fotografie einen immer größeren Teil bei mir einnimmt. Da komme ich zeitlich inzwischen wirklich an meine Grenzen. Das ist einerseits schön andererseits aber auch echt nicht leicht. Da allem und allen so gerecht zu werden, wie ich es am liebsten hätte, ist ein steter Kampf.

Wenn die Frage ist, ob ich Fotografie als Vollzeitberuf ausüben möchte, so ist meine Antwort derzeit: nein. Ich empfinde es als Freiheit den Lebensunterhalt für mich und meine Kinder mit meinem Job als Personalberater zu verdienen. Freiheit deshalb, weil ich mit der Fotografie kein Geld verdienen muss und damit am Ende tun und lassen kann, was ich will. Mir ist das kreativ sein sehr, sehr wichtig und ich brauche das einfach für mich als Mensch. Und auch wenn ich zwischendurch Kundenaufträge annehme, die am Ende nicht die volle künstlerische Entfaltung für mich bedeuten, so möchte ich immer noch Raum haben, um mich kreativ auszutoben und Dinge auszuprobieren. Das kann ich, da meine Existenz gesichert ist und ich einen guten Job habe. Wie wichtig das ist, hat mir auch 2020 sehr, sehr klar gemacht.

Ich kann mir aber durchaus vorstellen, mehr Zeit für die Fotografie aufzubringen und  die beiden Jobs mehr in Balance zu bringen. Mal sehen, wie sich das entwickelt. Aktuell ist das in der Natur sein und Fotografie tatsächlich ein schöner Ausgleich zum regulären Job.

4NP: Welchen Tip hast du für unsere Leser? Schmeiß raus was du möchtest die Hauptsache es geht um das Thema Fotografie egal ob Instagram oder Technik…

Puh, Tipps sind immer gar nicht so leicht. Den Tipp, den ich am häufigsten gebe, will immer kaum einer hören, oder man denkt, ich veralbere den Frager: hab Spaß beim Fotografieren. Mir ist das aber tatsächlich wichtig und das ist nicht so trivial, wie man erst denkt.

Für mich bedeutet das Spaß haben auch Genuss und Respekt. Zum Einen: in der Natur zu sein und zu fotografieren, ohne damit gleich an die Meinung anderer oder an eine Resonanz auf Social Media zu denken. Ich werde ständig gefragt, wie man auf Instagram erfolgreich sein könne, als ob es eine ‚Erfolgsabkürzung‘ gebe. Diese wäre vielleicht einfach Follower zu kaufen, geht am schnellsten und machen ja leider einige. Ist aber überhaupt nicht mein Ding und habe ich nie getan. Möchte auch nicht dazu raten.

Deshalb wirklich Spaß haben und auch mit Freude Fehler machen, Dinge ausprobieren und daraus lernen. Ich bin auch frustriert. Das kommt alle paar Wochen vor, da finde ich meine alten Bilder dann schrecklich. Das wird dann nach einer Weile aber wieder besser und ich freue mich, dass ich offenbar wieder einen kritischeren Blick entwickelt habe, der mich verbessert. 

Außerdem die Natur genießen ohne dass ein Foto entstehen muss. Und respektvoll sein. Gegenüber der Natur und alles so hinterlassen, wie man es vorgefunden hat. Und auch Respekt vor Mitmenschen haben. Meine Meinung ist nicht besser als die der anderen und schon gar nicht bin ich besser als andere. Ich bin immer wieder verwundert, wie roh und rücksichtslos oft im Internet, insbesondere auf Facebook miteinander umgegangen wird. Darum mache ich einen großen Bogen. Das macht keinen Spaß. Im Gegenteil, das finde ich schrecklich. 

Also auch hier: Spaß haben!

4NP: Hast du für 2021 bereits Pläne und auf was dürfen wir uns in Zukunft freuen?

Ich hoffe, dass Reisen irgendwann wieder möglich sein wird. Ich hatte so viele tolle Pläne für 2020: USA, Norwegen, Frankreich, England. Auch meine erste eigene Ausstellung von Bildern musste gestrichen werden.  Ich plane das alles jetzt lieber gar nicht erst.

Da ich vielfach gefragt werde, mache ich vielleicht mein erstes eigenes Tutorial. Es gibt sowas zwar schon haufenweise, aber ich erhalte da tatsächlich viele Nachfragen. Außerdem schreibe ich an einem Buch, das ich irgendwann gerne veröffentlichen möchte. Ob digital oder physisch, was natürlich schöner wäre, muss man mal sehen. 

Und sonst: ich möchte kreativ sein und bleiben. Weiter Spaß haben dazuzulernen und diese kreative Reise genießen. Am liebsten auch in der Natur.

Vielen Dank für das wirklich interessante und sehr sympathische Interview Kai. Ich wünsche dir weiterhin viele schöne Begegnungen in der Natur. Freue mich deine Bilder auch in Zukunft genießen zu können und wünsche dir eine wunderschöne Zeit! Ebenfalls bin ich auf deine Projekte wie Tutorial oder dem Buch sehr gespannt. Ja und mich würde es riesig freuen wenn wir uns 2021 endlich mal treffen würden!

Ganz lieben Dank, Sven! Ich freue mich, dass ich etwas erzählen durfte.

Ja, es wird wirklich Zeit, dass wir uns mal treffen. Ich freue mich darauf und nachdem wir uns schon seit langem immer wieder mal schreiben, ist das einfach mal fällig!

Bleib gesund und alle Leser und Leserinnen auch!

 

Webseite: www.kaihornung.com 

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Text&Bilder von Kai Hornung

Arbeitsbild ganz oben von Christian G.

 

 

 

 


 

Interview wurde geführt von:

Sven Herdt

 

www.svenherdt.com

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