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Yvonne Albe wurde 1975 in München geboren. Seit 2017 beschäftigt sie sich intensiv mit Natur- und Landschaftsfotografie. Sie wohnt mit ihrer Familie im Odenwald und hat durch ihre Kamera die Landschaften und Wälder dort neu entdeckt. Im Genre der Waldfotografie fühlt sie sich besonders zu Hause. Sie gibt Ihr Wissen über Wald- und Landschaftsfotografie in Fotoworkshops weiter.
4NP: Hallo Yvonne, ich freue mich, ein Interview mit dir zu haben. Deine Waldbilder faszinieren mich schon einige Zeit! Doch erzähl, wie nahm alles seinen Anfang und wie bist du überhaupt zur Fotografie gekommen?
Hallo Sven! Vielen Dank für die Einladung zu diesem Interview. Ich habe mich sehr über Deine Anfrage gefreut. Als sich vor ein paar Jahren mein Leben krankheitsbedingt veränderte und ich nicht mehr in der Lage war, meinem eigentlichen Beruf als Sozialpädagogin nachzugehen, kaufte ich mir eine gebrauchte einfache Nikon-Kamera und erkundete die Natur in meinem direkten Umfeld. Da ich quasi mitten im Wald wohne, war der Wald das erste Motiv, das mir vor die Linse kam. Die Erlebnisse in der Natur, die Kamera, meine Bilder lenkten mich ab von allem, was mich belastete. Ich konnte beim Fotografieren völlig abschalten und fand mich in einer Welt wieder, die mich erfüllte und die mir wieder Kraft gab. Eine neue Leidenschaft entstand, die bis heute unvermindert anhält. Ich fing an, viel über Fotografie zu lesen, Videoturorials anzusehen und kam in Kontakt mit anderen Fotografen, die mir viele Anregungen und Tipps gaben.
Da ich schon immer ein großes Interesse für Kunst, insbesondere für Malerei hatte, fiel es mir leicht, mich in der Welt der Bild- und Kompositionsgestaltung zurechtzufinden. Viele Regeln, die in der Fotografie gelehrt werden, unterscheiden sich nicht von denen der Malerei. Die lange Krankheit hat mich sicherlich auch dazu befähigt, mich an der Schönheit im Kleinen zu freuen und diese auch darzustellen. Insofern war die Kamera der Anfang eines neuen Lebensabschnittes. Dafür bin ich sehr dankbar.
4NP: Du fotografierst ja noch gar nicht allzu lange und dazu hast du dir eines der schwierigsten Themenbereiche der Landschaftsfotografie ausgesucht. Wieso hast du dich auf Wälder spezialisiert oder ist das nur mein Eindruck?
Die Entscheidung vor allem Wälder zu fotografieren, habe ich nicht bewusst getroffen. Es ergab sich einfach so, vorrangig durch meinen Wohnort, der direkt am Wald liegt. Ich stelle immer wieder fest, dass die Waldfotografie für mich die einfachste Form der Fotografie ist. Ich habe erst später davon gehört, dass die Waldfotografie die “Königsdisziplin” in der Fotografie genannt wird. Im Wald fühle ich mich zu Hause, ich komme dort zur Ruhe. Nirgendwo anders fühle ich mich so wohl wie dort. Ich will natürlich gegenüber anderen Genres offen bleiben. Dennoch ertappe mich ich häufig dabei, dass ich dann doch wieder im Wald stehe. 😉
4NP: Du setzt dich aktiv für ursprüngliche Wälder ein und hast sogar das Fällen einer deiner Lieblingsbäume verhindert. Magst du uns dazu kurz etwas erzählen.
Nachdem der Wald vor meiner Haustüre, in dem ich meine Leidenschaft entdeckt hatte, bei Waldarbeiten so verwüstet wurde, dass er kaum mehr wieder zu erkennen war, fing ich an, mich für Wälder und Bäume einzusetzen. Mit der Hilfe eines Forstwissenschaftlers erwarb ich viele wichtige Kenntnisse über den Wald und die Forstwirtschaft. Mittlerweile habe ich bei meinem Einsatz für den Wald weitere Mitstreiter gefunden und eine „Waldgruppe“ gegründet. Wir setzen uns für eine respektvolle, schonende Waldwirtschaft und für Wälder ein, die der Natur überlassen werden. Wir versuchen durch Schutz- und Pflanzaktionen die Chancen zu erhöhen, dass der Wald in diesen klimatisch harten Zeiten bestehen kann.
Letztes Jahr sollte einer meiner Lieblingsbäume gefällt werden. Es ist eine große, ebenmäßig gewachsene Eiche, die über der Odenwälder Landschaft thront. Ich hatte sie zu allen Jahreszeiten und bei vielen Lichtstimmungen abgelichtet. Eines Morgens bekam ich eine Nachricht von einem Freund, der mir mitteilte, dass diese Eiche im Begriff war gefällt zu werden. Ich bin sofort dorthin gefahren und konnte die Arbeiter davon abhalten, die Säge anzusetzen. Es waren einige Monate harter Arbeit, alle Beteiligten zu überzeugen, dass der Baum ein Recht auf Leben hatte. Ich initiierte zusammen mit dem lokalen Naturschutzbund eine Spendenaktion, damit wir ein nötiges Gutachten und einen Baumbeschnitt bezahlen konnten. Der Baum hat zwar durch den Beschnitt etwas an Mächtigkeit verloren, aber er steht noch. Ich freue mich jedes Mal darüber, wenn ich dort bin.
4NP: Wie kann man aus deiner Sicht die Naturfotografie mit dem Naturschutz verbinden. Der häufig gesagte Satz: „Ich zeige die Schönheit der Natur und was schützenswert ist,“ klingt zwar ganz nett, doch da müsste doch noch mehr möglich sein. Wie sind deine Erfahrungen und Gedanken dazu?
Ich denke, dadurch, dass man die Schönheit der Natur zeigt, begreifen viele Menschen erst, was wir verlieren, wenn die Zerstörung der Natur weiter fortschreitet. Indem ich diese Schönheiten zeige, kann ich viele Menschen erreichen. In den sozialen Medien ist es (leider oder Gott sei Dank?) so, dass schöne Bilder mehr angeklickt werden als nicht so schöne. Poste ich Bilder von misshandelten Wäldern und abgehackten Bäumen und weise auf Missstände hin, „liked“ es kaum jemand, weil es ja im Grund auch nicht „likenswert“ ist. Mit einem schönen Bild errege ich mehr Aufmerksamkeit und kann so auch die Inhalte, die ich bezüglich Naturschutz vermitteln möchte, anderweitig mit mehreren Menschen teilen. Ich hoffe, dass mit einem größeren Wissen über die Prozesse, die im Wald stattfinden, auch der Respekt vor diesen wunderbaren Ökosystemen steigt.
Dennoch reicht es nicht, die mittlerweile doch recht selten gewordenen schönen Stellen in der Natur zu zeigen. Vom Klimawandel und von maschineller Forstwirtschaft gezeichnete Wälder sind mittlerweile fast überall anzutreffen. Gerade in den letzten beiden Jahren war die Waldfotografie für mich auch mit viel Frust verbunden. Es verschwanden ganze Waldstücke und einige geliebte Bäume aus den Wälder in meiner Umgebung. Neben einem Kahlschlag oder dem Stumpf eines geliebten Baumes zu stehen und trotzdem noch das Schöne zu sehen, kann ungeheuer schwer sein. Ich denke, wenn wir den Wald und – damit zusammenhängend – das Klima retten wollen, dann müssen sich viele Menschen für den Erhalt der Wälder einsetzen. Wir müssen Druck auf die Politik ausüben, Klimaziele einzuhalten, eine naturgemäße Forstwirtschaft zum Standard zu machen und mehr Wälder der Natur zu überlassen.
Ein sehr aktuelles Beispiel, wie man Naturfotografie mit Naturschutz verbinden kann, ist eine Aktion, die ich kürzlich mit mehreren Fotografen gestartet habe. Hierbei geht es um ein von der Europäischen Union geschütztes Naturschutzgebiet, das in den letzten Jahren zunehmend unter forstwirtschaftlichen Eingriffen leidet. Wir möchten mit unseren schönen Fotografien dieses Ortes an die Öffentlichkeit gehen und hoffen, dass wir so viele Menschen erreichen, die sich ihrerseits auch für den Schutz dieses Gebietes stark machen. Vielleicht können wir damit auch ein Umdenken bei lokalen Entscheidungsträgern erwirken.
4NP: Wie gehst du bei deinen Fotos vor? Hast du ein paar kurze Ratschläge für unsere Leser, wie einem gute Waldfotos gelingen?
Ich bin viel in Wäldern unterwegs und markiere mir besonders schöne Stellen im Wald oder besondere Bäume in Google-Maps. Mit dieser Methode sammeln sich jede Menge schöne Orte an, die man dann wieder aufsuchen kann, wenn die Bedingungen gut sind. Wenn ich in den Wald gehe, um zu fotografieren, muss das Wetter stimmen. Für mich ist das Wetter, bei dem viele Leute erst gar nicht vor die Türe gehen, das beste Wetter für die Waldfotografie: Es muss neblig sein, regnen oder schneien. Am allerbesten ist es, wenn zusätzlich noch die Sonne ins Spiel kommt. Daher ist es sinnvoll, im Vorfeld Wetterkarten zu studieren, um herauszufinden, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass sich in dem Wald Nebel bildet, den man sich zum Fotografieren ausgesucht hat. Um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie man aus einem Waldbild auch eine gelungene Komposition oder ein Kunstwerk macht, lohnt es sich, sich mit der Kunst der Bildgestaltung auseinanderzusetzen. Man kann die Werke von Malern oder Fotografen studieren oder Texte darüber lesen. Dieses Wissen hilft ungemein, sich im “Durcheinander” eines Waldes zurechtzufinden und Struktur ins Bild zu bekommen.
Einen letzten Tipp, den ich noch geben möchte, ist das “Genaue Hinschauen”. Ich scanne im Wald meine Umgebung sehr genau, halte Ausschau nach Dingen, die vom Üblichen abweichen, die anders sind. Das kann die Rinde einer Eiche sein, die sich in einem Buchenwald von allen anderen Bäumen abhebt. Das können Lichtkegel auf dem Waldboden sein oder die besondere Form einer bemoosten Baumwurzel. Geht mit offenen Augen und gesteigerter Aufmerksamkeit durch den Wald. Dann werdet Ihr Dinge entdecken, die sonst noch kein anderer vor Euch gesehen hat.
4NP: Hast du für 2021 bereits Pläne und auf was dürfen wir uns in Zukunft freuen?
In der Auseinandersetzung mit der Waldfotografie ist bei mir der Wunsch entstanden, ein Buch über Waldfotografie zu schreiben. Als ich letztes Jahr ein paar Mal mit dem Waldfotografen Heiko Gerlicher in der Rhön fotografieren war, wurde mir klar, dass wir ein perfektes Team für ein solches Projekt wären. Wir haben einen Verlag gefunden und werden nun dieses Jahr dafür nutzen, ein Buch über Waldfotografie zu schreiben, bei dem wir möglichst alle Aspekte dieser Disziplin beleuchten wollen. Wir möchten dem Leser Hinweise für die Planung von Fototouren geben, zum Equipment und zu Kameraeinstellungen. Anhand unserer eigenen Fotografien möchten wir dem Leser zudem zeigen, wie wir unsere Bilder “komponieren”, wie viele verschiedene Motive im Wald möglich sind und Tipps zur Bearbeitung geben. Natürlich werden auch Aspekte des Naturschutzes beleuchtet.
Ich habe mittlerweile eine große Liste mit Wäldern auf der ganzen Welt, die ich in den nächsten Jahren gerne kennenlernen und fotografieren möchte. Ich würde gerne dieses Jahr ein paar davon besuchen. Einige davon liegen in Deutschland, sodass ich hoffe, dass ich ein paar dieser Pläne auch umsetzen kann.
Ein großer Wunsch von mir ist es, einmal die Nordlichter zu sehen. Ich hoffe, dass es wieder möglich sein wird zu reisen, sodass ich mir diesen Wunsch erfüllen kann.
Vielen Dank, dass du dir Zeit für dieses Interview genommen hast. Ich wünsche dir weiterhin viele schöne Begegnungen in der Natur mit viel Nebel. Ich bin gespannt, was du uns in Zukunft zeigen wirst und wünsche dir eine wunderschöne Zeit!
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Ein Gefühl für Schönheit setzt die Erfahrung von Schönheit voraus. Durch Yvonnes Gespür und die Darbietung der Schönheit des nicht Künstlichen, haben viele Menschen Zugang zur Ästhetik der Wildnis und Kultur. Mir als naturnaher Forstmann ist das sehr wichtig.
Hallo Sven,
das Interview ist ein schönes Beispiel wie heilsam und entspannend Fotografie sein kann. Die stimmungsvollen Bilder von Yvonne sind Beleg dafür.
Ich habe dies Interview mit dem von Florian Warnecke verglichen. Im Video kommen mehr Informationen rüber, aber in dieser Form ist es fokussierter.
Es wäre schön, wenn es einen kürzlichen persönlichen Kommentar des Gast zu den einzelnen Bildern gäbe. Was zeichnet das Bild aus? Warum ist es eines der Favoriten.
Ich freue mich auf das nächste Interview und die schönen Bilder dazu.
Schöne Fotogrüße an Euch von
Bernd