Es ist 3.45 Uhr am Vatertag und mein Wecker klingelt. An anderen Tagen hätte ich mich wohl sofort wieder umgedreht. Doch heute wartet ein kleines Abenteuer auf mich. Ich stolpere in die Küche und trinke einen Kaffee. Schnell ist die Uhrzeit vergessen. Bereits um 4:30 treffe ich einen Jäger aus meiner Gegend und Sabrina. Sabrina hat hier ein wundervolles Projekt ins Leben gerufen. Im Alter von 13 Jahren sah sie wie ein Mähwerk ein Rehkitz überfuhr. Die Ricke stand nicht weit davon entfernt am Waldrand und schrie nach ihrem Jungen. Dieses machte schmerzerfüllte Geräusche. Am Ende musste ein Jäger das Rehjunge mit abgetrennten Hinterläufen erschießen. Diese Szene begleitete Sabrina 10 Jahre. Dann vor nun 3 Jahren konnte die erste von Steuergeldern finanzierte und mit Wärmebildkamera ausgestattete Drohne gekauft werden.


Doch nun fangen wir von vorne an. Von Anfang Mai bis Mitte Juni gebären Rehe. Sie bekommen meist 2 Kitze. Teilweise auch nur eines oder in Ausnahmefällen sogar drei. Die Rehkitze haben in den ersten 2 Wochen kaum einen Fluchtreflex. Ihre Überlebenschancen in der Natur sind deutlich höher wenn sie versteckt und bewegungslos im hohen Gras liegen bleiben. Für ihre natürlichen Feinde wie Füchse und Dachse sind sie so nur schwer zu entdecken, da sie noch fast keine Gerüche absondern. Doch ihr größter Feind ist dabei wieder einmal der Mensch. Wenn Landwirte ihre Wiesen mähen sind die Tiere vom Traktor aus unmöglich zu sehen. Sie haben somit keine Chance außer davor gefunden zu werden. Viele Jäger und Landwirte suchen daher in Gruppen und mit Hund die Wiesen ab. Man beobachtet die Ricken an den Tagen vor dem Mähen oder nutzt Duftstoffe um die Tiere fern zu halten. Alles ist natürlich mit viel Aufwand verbunden. So ist es manchen Bauern leider auch zu viel Arbeit und sie fahren über die Wiese ohne auch nur irgend etwas im Voraus zu unternehmen. Viele frisch geborene Rehe kommen dabei ums Leben.


Mit Hilfe einer Wärmebildkamera an der Drohne ist die Suche deutlich einfacher. Nachdem der Jäger uns erklärt hat wo gemäht wird, montiert Sabrina ihre Drohne. Man bemerkt sofort, dass sie dabei schon ziemlich geübt ist. Sabrina fliegt die Drohne auf etwa 30m Höhe. Dabei sucht sie ganz systematisch die Wiesen ab. Das funktioniert am Morgen besonders gut wenn die Wiese noch nicht von der Sonne aufgewärmt wurde. Dabei sieht man am Display ihrer Fernsteuerung der Drohne wenn sich ein Lebewesen in der Wiese befindet. Bereits nach 5 Minuten wird sie fündig und Sabrina entdeckt eine Wärmesignatur. Ihre Erfahrung sagt ihr sofort, dass es sich dabei um ein Rehkitz handelt. Die Drohne bleibt in dieser Position stehen und die beiden Jäger gehen darauf zu. Trotz genauer Position dauert es etwas bis das kleine Tier entdeckt wird. Verborgen im Gras liegt es da und nimmt uns dabei kaum wahr. Es wirkt so zerbrechlich und unschuldig. Da es wichtig ist, dass möglichst wenig menschlicher Geruch an das Tier gelangt arbeiten die Jäger mit Einweckhandschuhen und Gras. Das Tier ist höchstens eine Woche alt. Deshalb lässt es sich ohne Gegenwehr nehmen und an die Seite der Wiese tragen. Bis die Wiese vollständig gemäht wurde wird ein Wäschekorb über das Rehkitz gestülpt. Auch das zweite Kitz in dieser Wiese wird nach wenigen weiteren Minuten gefunden. Es folgen an diesem Morgen noch weitere Wiesen, Bauern und Rehkitze. Die Mütter sind dabei meist nicht weit entfernt und beobachten häufig versteckt das Geschehen. Manchmal treten sie auch besorgt aus dem Wald heraus oder man hört sie schreien. Nach dem Mähen wird das Rehkitz dann meist von der besorgten Mutter schnell versorgt.


Häufig müsste sich Sabrina teilen können. Viele der Landwirte mähen wegen der Wetterlage zur selben Zeit. Manche rufen erst Stunden davor an. Es ist schon bewundernswert wie sie das alles neben der Arbeit schafft. Im Mai und Juni vergeht wohl kaum ein Tag an welchen sie nicht im Einsatz ist. Nur an Regentagen hat sie Pause. Nach den Morgenstunden geht es für die dann unter der Woche in ihre reguläre Arbeit. Häufig ist dann aber nicht Schluss und so fliegt sie am Abend nochmals um die Leben der frisch geborenen Lebewesen zu retten. Das Projekt lebt rein von Spenden an den Traunsteiner Tierschutzring e.V.. Doch das Equipment ist teuer. Ihre Drohne allein kostet schon 7500 Euro und dann benötigt man noch einige der teueren Akkus dazu, welche nicht lange halten. Doch inzwischen konnte Sabrina eine weitere Drohne anschaffen und hat auch Unterstützung von anderen Leuten. Doch das geht nur langsam voran. Sie freut sich ständig über Helfer und Geld für weiteres Equipment. Falls ihr dieses Projekt unterstützen möchtet dann besucht doch die Seite des Tierschutzring Traunstein e.V. und verweist bei der Spende auf das Drohnenprojekt. Diese Art der Rehkitzsuche nimmt zum Glück immer weiter zu. Wahrscheinlich gibt es auch in eurer Nähe ähnliche engagierte Menschen die sich über Hilfe jeglicher Art freuen…

 

Text & Bilder:

Sven Herdt

 

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